Der Ursprung der Stricktechnik

Kleidung

Geschichte_Uhr Die Geschichte der Kleidung geht bis in die Anfänge der Menschheitsgeschichte zurück. Schon die Urmenschen verwendeten Tierfelle, Leder und Pflanzenteile, wie z.B. Baumrinde, um sich z.B. vor Hitze, Kälte oder Wind zu schützen. Sie benutzten Schafwolle, Ziegen- und Kamelhaar, um daraus Kleidung herzustellen. Diese Materialien wurden gefilzt oder zu Garn gesponnen und anschließend zu Stoffen gewebt.

Forscher gehen davon aus, dass Frauen schon in der frühen Urzeit Kleidung gefertigt haben. Die Beweisführung gestaltet sich jedoch als schwierig, da die Materialien, welche für die Fertigung der Kleidung gebraucht wurden, über diesen langen Zeitraum nicht erhalten geblieben sind. Aus diesem Grund ist es auch schwierig, die genauen Anfänge der Handstricktechnik zu bestimmen. Es kursieren unterschiedliche Thesen zu diesem Thema.

Theorie 1

In Nordeuropa soll sich die Technik des Handstrickens aus dem Knüpfen von Fischernetzen, auch genannt "Netzen", entwickelt haben. Aus einem jütländischen Moorgrab bei Borum stammt der bislang älteste Fund, eine Wollhaube, die im 11. Jahrhundert v. Chr. gefertigt wurde. Es lässt sich aber nicht genau sagen, mit welcher Technik sie gefertigt wurde, ob genetzt, gehäkelt oder gestrickt.

Theorie 2

Die Anfänge der Strickkunst werden in Vorderasien vermutet. Bei Ausgrabungen im syrischen Gebiet des Euphrats wurden Strickarbeiten aus dem 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. gefunden. Durch jahrhundertelange Lagerung unter Wüstensand nahmen die Textilien nicht allzu großen Schaden. Der Fund wird auf das Jahr 256 n. Chr. datiert. An der Herstellungstechnik durch Stricken scheint nach Milton N. Grass kein Zweifel zu bestehen.

Weitere Überreste verschiedener Strickstücke aus dem 4. bis 6. Jahrhundert n. Chr. wurden in Bahnasa in Ägypten gefunden. Dabei handelt es sich um gestreifte Strümpfe und Socken, welche zwischen dem großen Zeh und der 2. Zehe eine Aussparung für den Sandalenriemen aufweisen.

Zuerst wurde angenommen, bei den geborgenen Textilien handelt es sich um gestrickte Stücke. Einen weiteren Beweis für die frühe Ausübung der Stricktechnik in Europa sollen Ausgrabungen in Thüringen liefern. In einem Grab wurden zwei knöcherne Stricknadeln entdeckt, die dem Jahr 300 n. Chr. zugeschrieben werden.

Jetzige Theorie

Doch Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte Louise Schinnerer, dass die geborgenen Strümpfe und Socken mit Hilfe der "Nalbinding"-Technik gefertigt worden waren. Das Ergebnis im Maschenbild unterscheidet sich nicht vom gestrickten Stück und lässt sich erst durch das Auftrennen des Objektes feststellen. Daher ist auch unklar, ob es sich bei den im Grab gefundenen Nadeln tatsächlich um Stricknadeln handelt.

Insgesamt ist es sehr schwierig, im Nachhinein für die Fundstücke eine bestimmte Entstehungstechnik nachzuweisen, da es sich bei Strickstücken um Verbrauchsgegenstände handelt und diese über die Jahre stark verfilzen bzw. verrotten. Auch die Fertigungstechniken ähneln sich im Ergebnis stark und es lässt sich nur durch das Auftrennen bestimmen, mit welcher Methode die Textilien gefertigt worden sind.

Auf Grund der Kostbarkeit der entdeckten Exemplare wird weitestgehend auf ein Auftrennungsverfahren verzichtet.

Fazit

Die Experten scheinen sich somit nur in wenigen Punkten einig zu sein. Als Ursprung der Stricktechnik wird eher Asien als Europa benannt. Das belegen Funde aus Ägypten, die dem 12. Jahrhundert zugeschrieben werden. Ab dem 13. Jahrhundert erreichte die Technik Spanien. Ein Beweis dafür sind gestrickte Kissenbezüge, die um 1270 entstanden sind und in Gräbern in Nordspanien gefunden wurden. Von Spanien aus verbreitete sich die Technik nach und nach in ganz Europa. Das Stricken oder der Besitz von Strickwaren blieb vorerst ein Privileg der wohlhabenden Bevölkerung und galt als Symbol von Luxus.

Stricken in Runden

Die ersten Arbeiten wurden vermutlich nur in der Zweinadeltechnik ausgeführt. Im Laufe der Jahre entwickelte sich das Zweihandstricken weiter und die Arbeit mit mehreren Nadeln, das Stricken in Runden, kam auf. Zu den frühesten Funden des Rundstrickens in Europa zählen Seidenstrümpfe aus der Schweiz oder Italien aus dem Jahre 1254 n. Chr. und seidene Handschuhe des Bischofs Siegfried von Westerburg, der im 13. Jahrhundert lebte.

Das althochdeutsche Wort "Masche", welches Schlinge bedeutet, gibt einen vermeintlichen Hinweis darauf, dass schon im Altertum das Strickhandwerk in Deutschland bekannt war. Allerdings sind zu dieser Zeit für mehrere Techniken, wie etwa das Weben, Knüpfen und Stricken, dieselben Wörter benutzt wurden.

So lässt sich das Stricken erst ab dem Mittelalter gesichert nachweisen.

Aus der Zeit um 1400 stammt auch die älteste Darstellung des Strickhandwerks in Deutschland. Auf dem Bild "Besuch der Engel bei Maria" auf dem Buxtehuder Altar von Meister Bertram von Minden strickt die Mutter Maria ein Kleidchen mit vier Nadeln.

Ausgehend von Spanien erhielt die Stricktechnik im 16. Jahrhundert nochmals einen großen Aufschwung. Die Mode der Strumpfhose verbreitete sich von dort aus in ganz Europa und ab 1586 trugen auch vermehrt Frauen Strümpfe. In England wurde das Rundstricken erst im Jahre 1560, zur Zeit von Königin Elisabeth I., bekannt, als sie von einem spanischen Gesandten ein Paar seidene Strümpfe überreicht bekam.

Quellen:
Schmitz, A.: (2009) Unterwäsche
Die Leinenweber: (o. J.) Kulturgeschichte des Leinens
Kirchhofer, A.: (2012) Geschichtliches aus dem Gebiet der Handarbeit
New York Times: (1999) Steinzeit-Frauen webten schon feine Tuche
Wilckens, L. v.: (1991) Die textilen Künste von der Spätantike bis um 1500, München: C.H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung
Grass, M. N.: (1956) History of hosiery, from the piloi of Greece to the nylons of modern America, New York: Fairchild Publications
Schödel, M. (2012) Zur Geschichte des handgestrickten Strumpfes
Claßen-Büttner, U.: (2012) Nadelbinden - Was ist das? - Geschichte und Technik einer fast vergessenen Handarbeit, Isenbrunn: Books on Demand GmbH
Greiner, S.: (2002) Kulturphänomen Stricken: das Handstricken im sozialgeschichtlichen Kontext, Remshalden-Grunbach: Verlag Bernhard Albert Greiner